Das Thema Immobilien und insbesondere die Frage nach "leistbaren Wohnen" beflügelt die Geister. Die Baubranche boomt und in vielen Städten gibt es mehr Nachfrage nach Immobilien als Angebot. Das treibt die Preise nach oben und suggeriert eine nicht endend wollende Preisspirale. Eine mittlerweile seit einigen Jahren anhaltende Null-Zinspolitik fördert diese Entwicklung.
Das jede Assetklasse und jeder Markt korrigiert scheint klar zu sein, nur der Zeitpunkt bleibt fraglich. Nahezu wöchentlich stellt sich die Frage, ob man grundsätzlich eine Wohnung kaufen oder besser mieten sollte. Dazu gibt es die unterschiedlichsten Meinungen und Ansichten. Auf der einen Seite wird suggeriert, die Anschaffung einer Immobilie sei die "erste goldene Regel" der Vermögensbildung, während auf der anderen Seite behauptet wird dass man durch das Mieten einer Wohnung besser beraten sei. In diesem Beitrag möchte ich - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - 10 Thesen kurz reflektieren:
1.Immobilien-Mythen: Folgen Sie keinem Immo-Mythos. Jede Entscheidung hat ihre Vor- und Nachteile.
2.Persönliches Risikoprofil: Definieren Sie Ihr eigenes Risikoprofil. Scheuen Sie das Risiko oder sind Sie bereit Risiken zu übernehmen? Ein Vergleich von Anlageklassen (dazu zähle ich in diesem Kontext auch den direkten Erwerb von Immobilien) erfordert eine objektive Aufklärung des Beraters und eine daraus abgeleitete "subjektive" Entscheidung durch den Klienten. Die Beziehung Berater-Klient könnte in diesem Kontext auch mit der Arzt-Patienten Beziehung verglichen werden: Der Arzt berät den Patienten objektiv, dass Rauchen ungesund ist, der Patient entscheidet "subjektiv" trotzdem weiter zu rauchen. Ergo: Der Vermögensberater empfiehlt als langfristige Sparform einen Wertpapier-Sparplan, der Klient bevorzugt "subjektiv" das Ansparen via Sparbuch. Oder: Der Immobilienberater weist auf die Vorteile einer Eigentumswohnung hin, der Wohnunssuchende entscheidet sich "subjektiv" für ein Mietobjekt. Die Grenzen der Wahrnehmung sind vielschichtig.
3.Cash ist wertvoll. Denken Sie an die Opportunitätskosten von Kapital. Liquide Eigenmittel („cash“) haben (auch abseits von Immobilien) je nach Lebenssituation einen hohen Wert und sollten bewusst investiert bzw. eingesetzt werden. Denken Sie z.B. an eine spätere Unternehmensgründung. Welcher Kredit ist üblicherweise preiswerter: Ein Wohnbaukredit oder eine Unternehmensfinanzierung?
4.Die 20/80 Regel: Sie kennen vermutlich die 80/20 Regel, die auch als Paretoprinzip bezeichnet wird. "80% der Ergebnisse werden mit 20% des Gesamtaufwandes erzielt." In der Immobilienwirtschaft bezieht sich die 20/80 Regel auf die Lebenszykluskosten von Immobilien: 80% der Kosten entstehen nach dem Kauf und im Rahmen der Erhaltung bzw. Bewirtschaftung einer Immobilie.
5.Finanzbegriffe als Fremdsprache? Vergleichen Sie bei einer Entscheidungsfindung die richtigen relevante Begrifflichkeiten miteinander und überprüfen Sie die dabei zugrunde gelegten Hypothesen bzw. Fakten: Annuität, Zinsen, Nettorenditen, Margen, Hauptmietzins ….?
6. Wie schätzen Sie Ihre Finanzdisziplin ein? Das Leben besteht aus einer Agglomeration guter Vorsätze. Eine Immobilienfinanzierung kann z.B. eine stärkere Bindungswirkung entfalten, als ein flexibler Wertpapiersparplan.
7.Analyse des Immobilienmarktes: In welchem Verhältnis stehen Kaufpreise zu Wohnungsmieten? Wie haben sich die Mieten im Verhältnis zu den Kaufpreisen entwickelt? Entspricht der Kaufpreis einer Immobilie dem tatsächlichen Marktniveau und wurden bei der Bewertung alle essentiellen Kriterien berücksichtigt? Eine 10%ige Fehleinschätzung des Kaufpreises kann z.B. bei einer Wohnung mit einem Marktwert von EUR 400.000 und einem akzeptierten Kaufpreis in Höhe von EUR 440.000 zu einem erheblichen Vermögensnachteil führen. Abschließend: Welche Gründe könnten am Immobilienmarkt zu einer Trendumkehr führen?
8.Persönliche und berufliche Flexibilität: Welche Flexibilität möchte ich beibehalten bzw. ist mir wichtig? Unter welchen Bedingungen könnte ich meine Wohnung vermieten (z.B. bei einer berufsbedingten geografischen Veränderung)?
9.Steuerliche und wohnrechtliche Bestimmungen: Was sollte man als Mieter, Vermieter oder Eigentümer unbedingt wissen? Welche Vor- und Nachteile sind abzuwägen?
10.Empfehlungen: Treffen Sie Ihre Entscheidung auf Basis Ihrer individuellen Finanz- und Lebenssituation. Es gibt kein Pauschalkonzept, auch ideelle Motive beeinflussen die Miet- oder Kaufentscheidung. Die aus Ihrer Sicht entdeckte Traumwohnung in "Bestlage" wird es nur einmal geben. Ein Fehlkauf im ländlichen Niemandsland kann sich rasch als finanzielles Desaster herausstellen. Anlagerprodukte sind volatil und können zu dem Zeitpunkt Ihres (u.a. kurzfristig auftretenden) tatsächlichen Kapitalbedarfs gerade eine Börsen-Baisse durchleben.
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